11. September 2020 bis 11. April 2021
…der Dinge #
Die Schatten der Dinge #1
Millionen von Dingen aus der ganzen Welt, die insbesondere während der Kolonialzeit gesammelt wurden, werden in europäischen Museen aufbewahrt. Sie haben verschlungene Pfade zurückgelegt, sind von Ort zu Ort gezogen, wurden von einer zur nächsten Hand gereicht. Sie sind von einer Transportkiste in die nächste gelangt, haben sich von einem Regal in eine Ausstellungsvitrine fortbewegt und sind seitdem „Museumsobjekte“ mit einer Inventarnummer geworden. Geschenkt, getauscht, manchmal gekauft, aber oft auch während kolonialer Kriege gewaltvoll geraubt. Das ist die schwierige Geschichte dieser Dinge und um sie drehen sich heute die Debatten über die Zukunft von ethnologischen Sammlungen, die Auseinandersetzungen über die Kolonialgeschichte und jahrhundertelange ungleiche Machtverhältnisse zwischen dem Norden und dem Süden.
Es geht also nicht allein um eine - politisch und/oder juristisch motivierte - Restitution der Objekte selbst, es geht auch um die Rückgabe von pluralen Erinnerungen und Narrativen. Diese mannigfaltigen Geschichten zu erzählen, ist das Ziel der Reihe ...der Dinge#. In den nächsten Jahren wird sie mit Kurator*innen aus den Herkunftsländern, aus denen die Objekte der Sammlung des RJM stammen, weitergeführt.
Vier „Dinge“ stehen im Blickpunkt der Ausstellung:
- eine Maske der Haida von der Westküste Kanadas gelangte 1903 in die Museumssammlung. Sie wurde gesammelt zu einer Zeit, als die Haida zunehmend unter dem Druck des Indian Act (eines 1876 erlassenen kanadischen Gesetzes) litten: sie und ihr Land wurden immer weiter unter staatliche Kontrolle gestellt, ihre Zeremonien wurden untersagt, rituelle Objekte beschlagnahmt. Vielleicht auch diese Maske?
- ein mumifizierter Kopf „Toi Moko“ aus Neuseeland wurde vom RJM 1908 erworben. Lange Zeit war ein solcher Kopf eines der meist begehrten „Sammlungsobjekte“ ethnologischer Museen. Der Handel ging selbst dann weiter, als ihn Gouverneur Ralph Darling 1831 verbot. 2018 wurde der mumifizierte Kopf nicht mehr als „Museumsobjekt“, sondern als verstobener Vorfahre an Neuseeland restituiert.
- ein Anhänger in Form eines Leoparden war Teil der aus Tausenden von kostbaren Kulturgütern bestehenden kolonialen Kriegsbeute, die 1897 bei der sogenannten britischen Strafexpedition im Königreich Benin (heute Nigeria) und der Zerstörung des Königspalastes gemacht wurde. Die Kriegsbeute wurde nach London gebracht, verkauft und über die ganze Welt verstreut. Der Anhänger wurde 1944 in die Sammlung des RJM aufgenommen. Das RJM bewahrt heute 97 Kulturgüter aus dem Königreich Benin in seiner Sammlung.
- der Kopf einer Steinskulptur aus dem Tempel Prasat Bakong , Kambodscha, die die Gottheit Vishnu darstellt, wurde in den sechziger Jahren von seinem Körper abgetrennt und von der Tempelanlage entfernt. Dies geschah im Kontext schwerer politischer Unruhen, die Kambodscha in der Folge in einen blutigen Bürgerkrieg stürzten. Der Kopf dieser Vishnu Skulptur befindet sich seit 1986 in der Sammlung des RJM. Seine Rückkehr nach Kambodscha ist angestrebt.
„All diesen Dingen als rituellen, sakralen Objekten ist es gemein, dass sie im Kontext von Krieg und politischer Instabilität, von Gewalt und Unterdrückung in die Museumssammlung gelangt sind. Als „verstümmelte“ Dinge besitzen sie eine unvollendete Geschichte, und so stehen wir vor einem Puzzle, dessen Teile erst zusammengefügt werden müssen.“
Nanette Snoep, Direktorin Rautenstrauch-Joest-Museum, Sommer 2020
Die Schatten stehen in der Ausstellung „Die Schatten der Dinge #1" für die Bedeutung, die Dinge für uns heute haben, die wir ihnen verleihen und für die Kontexte, die sie ursprünglich hatten. Die Ausstellung ist in verschiedene Bereiche eingeteilt, in denen sich die Inhalte der vier ausgestellten Gegenstände auf unterschiedliche Weise entdecken lassen. Die nur spärlich ausgeleuchtete, schattenhafte Atmosphäre des Innenbereichs steht im Kontrast zur nüchternen Helligkeit des Außenbereichs der Ausstellung. Vor der eigentlichen Präsentation der vier „Ausstellungsobjekte“ werden im Außenbereich die Provenienz, der geographische und kulturelle Kontext sowie die Frage, wie die Objekte zu Museumsgegenständen werden, thematisiert. Interaktives Kinder- und Familienprogramm Ein räumlich unmittelbar an den Außenbereich angegliederter Teil für Kinder soll junge Besucher*innen einladen, durch die Ausstellung ihre Phantasie anzuregen.
Interaktives Kinder- und Familienprogramm
Die Schatten stehen in der Ausstellung "Die Schatten der Dinge #1" für die Bedeutung, die die Dinge für uns haben, die wir ihnen verleihen und für die Kontexte, die sie ursprünglich hatten und wie wir sie heute sehen.
Die Ausstellung ist räumlich in verschiedene Bereiche eingeteilt, in denen sich die Bedeutungen der vier ausgestellten Gegenstände auf unterschiedliche Weise entdecken lassen. Die geheimnisvolle nur spärlich ausgeleuchtete, schattenhafte Atmosphäre des Innenbereichs steht im Kontrast zur nüchternen Helligkeit des Außenbereichs. Hier werden die Provenienz, der geographische und kulturelle Kontext sowie die Frage, wie die Objekte zu Museumsgegenständen werden, zum Thema.
Eine räumlich angegliederte Kinderstation soll die jungen Besucher*innen einladen, ihrer durch die Ausstellung angeregten Phantasie Ausdruck zu verleihen.
Jedes Wochenende, samstags und sonntags - 11 bis 17 Uhr - stehen Livespeaker vor Ort zur Verfügung. Sie beantworten Fragen, geben Hinweise und betreuen die vielfältigen kreativen Angebote im Werkraum sowie das Schattentheater Der Dinge.