Das RJM und die postmigrantische Gesellschaft

Die postmigrantische Gesellschaft ist eine Realität. Insbesondere die Städte sind geprägt von gesellschaftlicher Diversität. Viele Institutionen haben begonnen, die neue Stadtgesellschaft in ihrer Programmatik abzubilden. Jedoch spiegelt sich die kulturelle Diversität der Städte in den Bereichen Programm, Personal oder Publikum in den Kulturinstitutionen noch nicht ausreichend wider. Dem Anteil von 30% Menschen mit Migrationsgeschichte in NRW entsprechen weder eine diverse Personalstruktur – insbesondere in Entscheidungspositionen – noch ein gleichermaßen heterogenes und transkulturelles Publikum. Wie also kann eine Museumspraxis aussehen, die diskriminierungskritisch ist und die die Gesellschaft der Vielen sowohl strukturell als auch inhaltlich abbildet?

Das Rautenstrauch-Joest-Museum hat sich schon lange auf den Weg gemacht, einen diversitätssensiblen Wandel mitzugestalten – mit einem vielbeachteten Perspektivwechsel in der Dauerausstellung oder neuen Sonderausstellungsinhalten. Seit August 2019 gibt es nun erstmals auch eine Position für Diversität im Haus, die im Rahmen des von der Kulturstiftung des Bundes initiierten Programms „360° - Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft“ www.360-fonds.de für die Laufzeit von vier Jahren (2019-2023) eingerichtet wurde.

Mit diesem Programm unterstützt die Kulturstiftung des Bundes kunst- und kulturhistorische Museen, Institutionen aus den Sparten Kunst, Musik, Darstellende Künste, Literatur, Architektur, Neue Medien und verwandte Formen sowie spartenübergreifende Institutionen. In dem jeweiligen Feld soll die gesamte Gesellschaft in den Blick genommen werden. Ziel ist es, die kulturelle Diversität als ebenso chancenreiches wie kontroverses Zukunftsthema aktiv in das eigene Haus und in die Stadtgesellschaft zu tragen. Zudem geht es darum, strukturelle Ausschlüsse im Kulturbetrieb zu vermindern. Damit fördert die Kulturstiftung des Bundes eine große Bandbreite von Ansatzpunkten, Strategien und Methoden, die in exemplarischer Weise aufzeigen, wie Institutionen – thematisch und personell – ihr Potenzial zur Mitgestaltung der neuen Stadtgesellschaft wirksam entfalten können.

Mit Hilfe dieser Förderung wird das Museum in den nächsten Jahren einen diversitätsorientierten Transformationsprozess weiter verankern. Ein konkretes Beispiel für diesen Prozess war die Einweihung des Open Space DIE BAUSTELLE als Treffpunkt für eine diverse und plurale Stadtgesellschaft, die hier die Möglichkeit bekommt, über drängende gesellschaftliche und museale Fragen ins Gespräch zu kommen. DIE BAUSTELLE, gedacht als „Kontaktzone“, ist nun in der Sonderausstellung „RESIST! Die Kunst des Widerstands“ rjm-resist.de,  in deren Zentrum koloniale und postkoloniale Widerstandsstrategien stehen, integriert und wird weiterentwickelt.

Solange die Stimmen aus den Gemeinschaften, aus denen die Objekte der Sammlung eines Museums stammen, nicht gehört werden, solange monokulturelle, westliche Perspektiven dominieren, solange wird auch in Museen das System der Kolonialität fortbestehen. Wir benötigen ein Museum der Vielfalt von Geschichten, Stimmen und Perspektiven. Museen sollten sich der Aufgabe verschreiben, zu empathischen Foren zu werden, und ihre Türen weit öffnen. (Nanette Snoep, Direktorin RJM)